Die Kunst der Fuge

von Merle Stankowski Atelier, Bürogemeinschaft Mentrup Steffen Albertoni

Der Umbau eines Bauern- und Atelierhaus aus dem 18. Jahrhundert begann als Masterarbeit. Heute dient das fertige Haus als Lebens- und Arbeitsraum für ein Ehepaar.

Seitenbrück ist ein Ortsteil der Gemeinde Oberbodnitz in Thüringen. Hier stand die „ruinöse Bude“, wie der Architekt Mauricio Albertoni das Bestandsgebäude beschreibt. Der Umbau des Bauern- und Atelierhaus begann als Masterarbeit, ehe es zum meisterlich ausgeführten Lebens- und Arbeitsraum für ein Ehepaar wurde.

Theoretische Basis für die Revitalisierung waren eine Analyse des Orts und viele Gespräche. Die jungen Architekten erkannten das Prinzip der massiven Sockel, meist aus Sandstein, auf denen leichte Holzkonstruktionen, in der Regel Fachwerk, aufsitzen.

Zeitgemäße Materialien

Bei der Sanierung kombinierten sie zeitgemäß Stein mit Sichtbeton im Erdgeschoss. Feinprofilierte Stahlfenster machen die Dicke der Außenmauern erlebbar. Auch die Türen sowie die Treppe wurden in Stahl ausgeführt. Konsequent wurde das Obergeschoss in Holz wiederaufgebaut. Das Fachwerk ist mit Lehmziegeln ausgefacht, Dreischichtplatten aus Kiefer und Fichte verkleiden die Innenräume. Auch auf dem Fußboden wurde hier Holz verlegt, während im Erdgeschoss Estrich vergossen wurde.

Traditionelle Elemente

Als architektonisches Thema entdeckte das Team von Merle Stankowski Atelier zudem die Fuge bei den traditionellen Bauten im Ort. Innen wie außen wurden Fugen zwischen den Materialien daher besonders sorgfältig herausgearbeitet. Leicht war es nicht, Handwerker zu finden, die sich auf das Bauen mit ungewohnten Materialien einließen: Mit Leichtlehmbausteinen, Stampflehm sowie mit Hanf, denn Bauherren und Architekten war es wichtig, dass 95 % aller verwendeten Materialien aus natürlichen Rohstoffen bestehen und das Haus recycelbar ist.

Fuge no 1

Ausgezeichnet wurde die sogenannte „Fuge no 1“ beim Thüringischen Staatspreis für Architektur und Städtebau 2016. Ein anlässlich der Verleihung der Anerkennung gedrehtes YouTube-Video stellt das außergewöhnliche Projekt charmant vor.

Über Merle Stankowski

2013 wurden Albertoni, Steffen und Mentrup zu der fiktiven Persönlichkeit „Merle Stankowski“. So heißt ihr Büro in Jena, das neben Architektur auch Design, Print-, Medien- und Webgestaltung anbietet und mit weiteren Gestaltern und Fachplanern zu „We are Merle“ wurde. Raum für Produkte, räumliche Experimente und frische Ideen ist zudem in „Merle’s Espressobar“ in unmittelbarer Nähe zum Büro. Der Kaffee für die Bar stammt aus einer eigenen Rösterei in Neustadt an der Orla.

Gebäudedaten

  • Standort: Seitenbrück
  • Grundstücksgröße: 1.000 m²
  • Wohnfläche: 127 m²
  • Anzahl der Bewohner: 3
  • Bauweise: Massiv- und Leichtbauweise
  • Fertigstellung: 2015
  • Baukosten: 200.000 Euro

Fotos: Raimonds Galuza, Weimar r.galuza@gmail.com

Dieses Haus ist erschienen in: „Häuser des Jahres 2017“, Callwey Verlag