Kolumne Wohnen: Badezimmer (9)

Andreas Vetter Kolumne Tour de Haus Bad Wellness Gestaltung
Heute fungiert das ambitionierte private Bad als Ort der Körperkultur und der Wellness

Früher: ein kühler Raum der Hygiene

Es gab Zeiten, in denen Körperpflege hauptsächlich mit Wärme und gutem Essen verbunden wurde, und in denen mit jedem längeren, umfassenden Wasserkontakt die Angst vor einer lebensgefährlichen Erkältung aufkam. In den besseren Kreisen ersetzten damals bunte Konfektion, Perücken und schwere Parfums die basale Körperhygiene. Das diesbezüglich aufgeklärte und an medizinischer Gesundheit ebenso wie an ‚Leibesübungen’ und tatsächlich ‚sauberem’ Äußeren interessierte frühe 20. Jahrhundert erst etablierte das Badezimmer in durchschnittlichen Häusern und Wohnungen. Die avancierte Ausstattung bestand damals in Waschbecken und Spiegel, Wasserklosett und Bidet sowie der Badewanne, respektive Brause, überall Kacheln und Metallrohre – ein kühler Raum der Hygienetechnik.

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Neben der Sauberkeit erweitert die Körperpflege das Programm mit einer Sauna sowie Fittness-Geräten

Heute: ein Ort der Körperkultur und Wellness

Heute fungiert das ambitionierte private Bad als Ort der Körperkultur, der Wellness – ganz in der Nachfolge antiker Thermen. Wer kann, räumt ihm reichlich Platz ein, holt viel Tageslicht hinzu, eventuell gibt es sogar eine diskret zu genießende Aussicht. Die Technik wird verdeckt oder ästhetisch zelebriert, es dominieren sinnlich ansprechende Oberflächen aus unzähligen Materialien, raffinierte Lichteffekte übernehmen die inszenatorische Regie bis in die Regendusche und das Whirlbecken hinein. Neben der Sauberkeit erweitert die Körperpflege das Programm mit einer Sauna sowie Fittness-Geräten. Die damit recht ausgedehnte Zeit im Bad muss jedoch nicht zum Verlust des Anschlusses an die Welt führen: Radiolautsprecher und TV-Schirm können stilvoll integriert werden – und der WLAN ist ohnehin unsichtbar.

 

Über den Autor Andreas K. Vetter:

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft und Kunstgeschichte in seiner Heimatstadt Tübingen, in Wien, Karlsruhe und Heidelberg arbeitete der Autor zuerst als Kurator für die Bildenden Künste und Architektur in Stuttgart und wechselte dann in die Bildung. Seit 2008 lehrt er Kunst- und Kulturgeschichte an der Hochschule OWL in Detmold. Für Callwey entstanden in den letzten Jahren mehrere Publikationen zu Wohnarchitektur und Innenarchitektur, zuletzt der Kreativatlas Raumideen.

Alle Folgen der Kolumne TOUR DE HAUS:

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Kolumne Wohnen: Wohn- und Esszimmer (7)

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Ko­lum­ne Woh­nen: Emp­fangsbe­rei­che (4)

Ko­lum­ne Woh­nen: Ein­gang (3)

Ko­lum­ne Woh­nen: Ga­ra­ge (2)

Ko­lum­ne Woh­nen: Tour de Haus (1)