Baumaterial mit Zukunft: Holz

Stefan Winter stammt aus einer Holzdynastie: Er ist gelernter Zimmermann, sein Großvater war Förster, sein Vater Sägewerker. An der Technischen Universität München unterrichtet Winter Holzbau und Baukonstruktion – wir sprachen mit dem international anerkannten Holzbau-Experten über die Zukunft des Baustoffs.

Experten - Stefan Winter

 

Ist der Holzbau für das nächste Jahrhundert geeignet?

Mit absoluter Sicherheit, weil es weltweit der einzige verfügbare Baustoff ist, der wirklich nachhaltig ist, weil er nachwächst. Außerdem speichert Holz Kohlenstoff, sodass es im gewissen Umfang eine Kohlenstoffsenke darstellen kann. Es holt sozusagen das CO2 aus der Luft und bindet es im Gebäude. Es ist auch der einzige Baustoff, den Sie am Ende noch energetisch verwerten können. Insofern hat er viele Vorteile.

Holz hat aber auch Nachteile. Es ist ein natürlicher Werkstoff und hat damit natürliche Feinde, wie zerstörende Pilze und Insekten.

 

Wie kann man Holz so nutzen, dass man es nicht alle drei Jahre lasieren muss?

Der erste Trick ist, Holz so zu verbauen, dass es trocken bleibt. Wenn die Holzfeuchte dauerhaft deutlich unter 20 Prozent liegt, sind zerstörende Pilze ausgeschlossen. Die brauchen nämlich freies Zellwasser. Wir haben viele Holzgebäude, die mehr als 500 Jahre alt sind und noch weitere 500 Jahre halten werden, wenn keine Feuchtigkeit eindringt.

Insekten im Holz waren in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts auch bei uns ein relativ großes Thema, weil wir damals viele nicht ausgebaute Dachstühle mit undichten Dachdeckungen hatten. Diese Dachböden wurden kaum benutzt, sodass dort mehrere Generationen Insekten ungestört leben und Eier ablegen konnten. Die Larven haben dann das Holz zerfressen.

Das gibt es heute fast nicht mehr, weil wir die Hölzer heute technisch trocknen. Dadurch wird die Befallswahrscheinlichkeit deutlich herabgesetzt. Wir haben 2006 nach dem Unglück in der Eislaufhalle von Bad Reichenhall mit Kollegen zusammen tausende von Gebäuden kontrolliert. Dabei fanden sich zwar gelegentlich Mängel, aber nie ein ernsthafter Insektenbefall. Nicht ein einziges Mal!

In die technisch getrockneten Hölzer gehen Insekten sehr ungern rein und in die sehr alten auch nicht mehr, weil dort die entsprechenden Nährstoffe fehlen. Viele der Hölzer sind heute auch in abgeschlossenen Wandkonstruktionen verbaut, abgetrennt durch Gipsplatten oder Holzwerkstoffplatten. Wo die freie Anflugmöglichkeit für Insekten fehlt, gibt es auch keinen Befall. Früher kamen Hölzer oft direkt aus dem Wald, sind behauen, gesägt und verbaut worden. Da hatten sie selbst beim Frischholz Insektenbefall, wenn sie Pech hatten.

 

Kann man mit Holz bauen, was man will?

Klar. Wir haben in Bad Aibling ein Haus mit acht Stockwerken gebaut. Es gibt einen 100 Meter hohen Holzturm in Hannover, den Timber Tower. Und wir planen in Flensburg ein 10-geschossiges Gebäude, da überschreiten wir erstmalig in Deutschland die Hochhaus-Grenze.

Es gibt in Vancouver Projekte des Architekten Michael Green, der bis zu 30 Geschosse bauen möchte. Das höchste Holzhaus der Welt derzeit hat zehn Geschosse und steht in Melbourne in Australien. Es existiert dabei weder ein statisches Problem noch ein ernsthaftes Brandschutzproblem.

Meine größte Sorge ist der Schutz vor Feuchtigkeit in diesen Höhen. Man muss die Fassade dauerhaft so abdichten, dass nirgends Wasser hineinläuft. Der Timber Tower zum Beispiel ist mit einer Folie eingewickelt. In dieser Folie steckt ein elektronisches Feuchtigkeitsmesssystem, das warnt, wenn es ein Leck gibt.

 

Also brauchen Sie neben dem Naturmaterial Holz viel Technik?

Nicht mehr als bei anderen Baumaterialien. Natürlich hilft Technik, vor allem aber braucht man eine sinnvolle und robuste Konstruktion. Oft ist der Verbund mit anderen Materialien sinnvoll, zum Beispiel mit Beton oder mit Gips. In dem achtgeschossigen Haus in Bad Aibling besteht das Treppenhaus aus Beton. Direkt daneben steht ein viergeschossiges Gebäude, bei dem sogar der Aufzugsschacht aus Holz gebaut wurde.

Bei einem neuen achtstöckigen Projekt sind die Treppenhäuser in Massivholz geplant. Natürlich mit entsprechender nicht brennbarer Beplankung aus zwei Gipsfaserplatten, weil es in den Fluchtwegen innen keine Brandlasten geben darf. Die Entwicklung geht dahin, auch die Treppentürme aus Holz zu bauen.

 

Wie sehen Sie in der Zukunft die Oberflächenbehandlung von außen verbautem Holz?

Am liebsten gar nicht. Unbehandelte Lärche wird allerdings im Laufe der Zeit grauer, das mögen viele Leute nicht. Deshalb kann man mit wasserbasierten Lasuren so eine Vergrauung auch vorwegnehmen, dann wird es gleichmäßiger.

Richtig ist aber, dass wir das Holz am liebsten gar nicht behandeln. Wenn ich es gleichzeitig als Ressource für zukünftige Generationen ansehe, dann soll es so naturbelassen wie möglich sein. Aus optischen Gründen wird eine Holzfassade natürlich häufig mit einer Farbe behandelt. Zum Schutz des Holzes ist das eigentlich nicht nötig. Der Trick ist: nicht hobeln! Nur so entsteht eine gute Verzahnung zwischen Farbe und Oberfläche. Ich selbst habe Projekte aus dem Jahr 1994, wo die Farbe, bis auf Kleinigkeiten, nach wie vor tipptopp ist.

 

Wie kombinieren Sie Ihre Arbeit in der Forschung und an Bauprojekten?

Ich mache beides, weil sich das gut ergänzt. Ein wichtiger Arbeitsbereich, bei dem sich das überlappt, ist zum Beispiel die Sanierung von bestehenden Bauten. Dafür haben wir hier an der Hochschule zusammen mit unseren Kollegen von der Architektur und der Vermessungstechnik das „TES Energy Facade“-System entwickelt. Dazu vermisst man mit einem Laserscanner in Kombination mit Fotogrammmetrie Fassaden präzise und preiswert. Dann digitalisiert man sie, um die notwendige Maßgenauigkeit im Aufmaß zu haben.

Aus den Daten entstehen individuelle Fassadenelemente, die vorproduziert und dann vor bestehende Gebäude gesetzt werden. Mit den vorgefertigten TES-Holzelementen können in sehr kurzer Zeit Bauten energetisch saniert werden. Unter anderem wurde so ein 1970er-Jahre-Wohnblock in der Grüntenstraße in Augsburg instand gesetzt. Die vorgefertigte Holzfassade konnte dort ohne die Verwendung von Dämmstoffen auf Kunststoffbasis, wie Polystyrol, gebaut werden.

 

 

Holz hat mich schon immer fasziniert. Bereits als Jugendlicher habe ich in den Ferien in einem Leimholzwerk gearbeitet. Das war immer mein Werkstoff.

 

Das bedarf einer sehr klugen Technik.

Ja. Man erstellt sich erst ein komplettes digitales Gebäudemodell und fertigt danach. Holzbau ist diejenige Bauart, die die größte Präzision in der Fläche besitzt. Computergesteuert ist Holz auf 0,1 Millimeter genau zu bearbeiten, und das in halbautomatisierten Fertigungen. Das führt auch gleich zu meiner wichtigsten Sorge im Moment: Wir haben eine große Nachfrage, aber uns fehlen so ein bisschen die Löffel zum Breiessen.

In ganz Europa gibt es im Moment nicht genügend leistungsfähige Holzbaubetriebe, die Großprojekte zuverlässig abwickeln. In Deutschland sind das vielleicht 10 oder 20 Unternehmen. Ich könnte aber 50 gebrauchen. Das ist ein echtes Problem. Unser eigentlich sehr gutes Zimmererhandwerk wird sich da aber sicher weiterentwickeln, zum Beispiel haben sich inzwischen Kooperationen mittelständischer Holzbaubetriebe ergeben – eine gute Entwicklung.

 

Entwickeln sich solche Unternehmen denn immer aus Zimmereibetrieben heraus?

Wir haben auf der einen Seite den Fertigbau und auf der anderen haben wir Unternehmen, die aus dem Zimmereibetrieb kommen und die mit Halbautomatisierung sehr flexibel und präzise fertigen können. Die Fertighausbauer haben häufig nur eine Wandstraße, auf die dann nur 2,75 Meter hohe Wände passen. Das ist ihr System. Wir brauchen aber auch mal eine Wand, die 3,50 Meter hoch ist, oder eine nur 2,50 Meter hohe Wand. Diese Flexibilität ist selten, wird aber auch im Fertigbau häufiger.

Das resultiert auch aus der Geschichte des Holzbaus: Sie dürfen nicht vergessen, dass die Bauordnung in Europa vor 20 Jahren in vielen Ländern nur Holzhäuser mit maximal zwei Geschossen erlaubt hat. Höhere Bauten waren früher schlichtweg verboten. Wenn jemand 1978, als ich Zimmerer gelernt habe, gesagt hätte „baut mal ein achtgeschossiges Holzhaus“, hätte ihm der Meister nur einen Vogel gezeigt. Das gab es überhaupt nicht. Drei Geschosse waren das höchste der Gefühle.

Da hat sich, auch durch unsere Forschung und Entwicklung, viel getan. Aber jetzt steigt allmählich die Bauindustrie ein. Die großen Unternehmen sagen: Hoppla, dieser Baustoff, der entwickelt sich, da wollen wir in Zukunft mitmachen.

 

Kann man eine energetische Sanierung von Holzfassaden auch selber angehen?

Das geht handwerklich gut, indem man beispielsweise auf ein bestehendes Einfamilienhaus 16 bis 20 Zentimeter breite Holzrahmen aufschraubt und die Zwischenräume dämmt. Darauf wird außen eine Platte und eine hinterlüftete Fassade angebracht.

 

Der Klimawandel wird in unseren Regionen andere Baumarten und andere heimische Hölzer bringen. Was bedeutet das für den Holzbau?

In Deutschland passiert ein Waldumbau zu deutlich mehr Laubhölzern. Und wir bewegen uns weg von Monokulturen hin zu Mischwäldern. Wir wissen also, dass sich unser Rohstoffangebot in den nächsten 20 bis 30 Jahren deutlich verlagern wird, weg von den heute dominierenden Nadelhölzern wie Fichte und Tanne, hin zu mehr Laubholz, insbesondere zu Buche, Esche, Erle und Kastanie. Wir haben schon angefangen, darauf zu reagieren.

Es gibt inzwischen eine Zulassung für Brettschichtholz aus Buche. Die Laubhölzer lassen sich nur nicht so gut mit den herkömmlichen Methoden verarbeiten. Wir werden deshalb in Zukunft mehr Sperrholz und Furnierschichtholz herstellen, wir werden eine Veränderung der Sägetechnologie erleben und wir arbeiten an der Verklebbarkeit dieser Hölzer, weil sie andere Inhaltsstoffe haben, andere Oberflächenstrukturen, andere Dichten und Härten. Wir wissen, dass eine große Welle anderer Hölzer auf uns zukommt.