Weniger Verluste mit Gleichstrom?

Ein zweites Stromnetz für das Haus

Das „Internet der Dinge“ erobert gerade die Häuser: Wird morgen jeder Heizkörper, jeder Rollladen und jeder Lichtschalter über seine eigene Web-Adresse verfügen? Wie stark soll man sein Haus vernetzen? Das ist keine völlig utopische Annahme mehr. Der Erlanger Professor Lothar Frey ergänzt diese Informationen mit dem Vorschlag, Häuser, die über eine eigene Energieproduktion verfügen, noch effizienter zu machen, indem man ihnen neben dem normalen Stromnetz ein Gleichstromnetz spendiert. Aus seiner Sicht eine gute Investition in die Zukunft.

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Lothar Frey leitet das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB in Erlangen und ist Professor an der dortigen Friedrich-Alexander-Universität. Seit Langem setzt er sich mit intelligenten und effizienten Strukturen von Stromnetzen auseinander, im Großen wie im Kleinen.

Unser Stromnetz liefert Wechselstrom mit einer Spannung von 230 Volt. Viele häusliche Geräte laufen jedoch intern mit Gleichstrom und viel niedrigeren Spannungen. Die zunehmende Zahl von Photovoltaik-Elementen auf unseren Dächern erzeugt ebenfalls Gleichstrom, doch der wird erst in Wechselstrom gewandelt, ins Hausnetz eingespeist und für die elektrischen Verbraucher dann wieder in Gleichstrom zurückübersetzt. Dabei entstehen Verluste. Deswegen plädieren viele Fachleute inzwischen für ein zweites Stromnetz in den Häusern, ein Gleichstromnetz mit niedriger Spannung. Die Gründe erklärt Professor Lothar Frey.

Warum sollten Bauherren über ein zweites Stromnetz im Haus der Zukunft nachdenken?

Weil man eine Menge Energie einsparen kann. Haushaltsgeräte wie Handy-Ladegeräte, Computer, Flachbildschirme, Telefone, Radios oder LED-Leuchten arbeiten intern mit Gleichspannung. Bei all diesen Verbrauchern muss der Wechselstrom aus dem 230-Volt-Hausnetz in Gleichstrom umgewandelt werden. Das geschieht immer mit Verlusten. Denn viele Netzteile wandeln ineffizient, weil sie kostengünstig sein müssen. Häufig laufen sie im Standby-Modus und verbrauchen so auch noch Strom. Außerdem sind sie relativ klobig und keine Schmuckstücke im Raum, ganz zu schwiegen von dem Netzteil-Wirrwarr unter so manchem Schreibtisch.

Gibt es Möglichkeiten, solche Verluste zu vermeiden?

Ja, indem man im Haus ein zweites Stromnetz installiert. Das muss nicht sehr aufwendig sein. Dazu teilt man am besten das Haus in Segmente auf. In Räumen mit Verbrauchern, die nur mit Gleichspannung arbeiten, braucht man eigentlich keine
230-Volt-Wechselstrom-Leitung. In Kinderzimmern würde sich so auch die Gefahr durch das Stromnetz deutlich verringern und in Schlafzimmern hätte man keine Felder mit hoher Wechselspannung um sich herum, falls das einem wichtig ist. Man muss dazu nur an einem Punkt im Hausnetz Wechselstrom und Gleichstrom mit einem Spannungswandler aufteilen. Wer viel LED-Beleuchtung in seinen Räumen hat, kann den Gleichstrom natürlich für alle Zimmer nutzen.

Ist ein Gleichstromnetz für alle Stromverbraucher sinnvoll?

Nein. Viele Geräte mit höherer Leistung, wie Waschmaschinen und Staubsauger, werden noch länger mit Wechselstrom arbeiten. Für den wachsenden Bereich der Elektronik und der LED-Beleuchtung ist das Gleichstromnetz aber sinnvoll. Auch das Nachrüsten wäre relativ einfach.

Für wen sind Gleichstromnetze besonders interessant?

Am meisten würden Hausbesitzer mit einer eigenen Photovoltaikanlage, mit Batterien als Speicher und mit einem Elektrofahrzeug sparen. Diese drei Elemente laufen alle mit Gleichspannung. Wenn man sie mit einem Steuerungssystem miteinander verknüpft, kann man effektiv intern den Verbrauch managen: Will ich mein Elektroauto aufladen, dann erkennt solch ein System automatisch, woher die Energie kommen kann. Scheint die Sonne, lädt das Auto aus den Solarzellen, und falls das nicht reicht, holt es sich den restlichen Strom aus den Batterien. Erst wenn die leer sind, zapft es das öffentliche Wechselstromnetz an. Das geht ohne große Verluste, auch wenn die Gleichspannungen etwas unterschiedlich sind. Außerdem könnte man den jetzt gebräuchlichen Wechselrichter, der Solarstrom in Wechselspannung umwandelt, aus einem derartigen System herausnehmen und damit auch seine Verluste vermeiden.

Wie hoch ist der Effizienz-Gewinn eines Gleichstromnetzes in Zahlen?

Wenn sie ein Photovoltaik-Panel auf dem Dach haben und damit einen Computer betreiben wollen, wird der Gleichstrom aus dem PV-Modul erst in Wechselstrom umgewandelt. Dabei verlieren sie im Schnitt schon 5 Prozent. Die Netzteile des Computers und des Bildschirms laufen meist in einem Teillastbereich, bei einem Wirkungsgrad von ungefähr 60 Prozent. Sie können in diesem Beispiel also nur zwischen 50 und 60 Prozent des Stroms, den Sie ernten, auch tatsächlich nutzen. Würde man den Strom in ein Gleichspannungsnetz einspeisen, dann läge die nutzbare Ernte bei etwa 95 Prozent.

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Eine Grafik des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB