Tradition und Moderne charmant miteinander verbunden: SU und Z Architekten interpretierten den traditionellen bayerischen Einfirsthof als Villa neu.
Es gibt Zahlen, die lassen nichts Gutes ahnen: knapp 2.300 Quadratmeter Grund direkt am Tegernsee, über 700 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche, Baukosten um die 2,5 Millionen Euro. Sie klingen nach Domizilen für Mitglieder einer südostasiatischen Königsfamilie, russische Oligarchen oder Spieler des FC Bayern München, über deren Architekturgeschmack sich in der Regel nicht einmal mehr streiten lässt.
Baukultur in Oberbayern
Doch es gibt Ausnahmen: Mit der Villa, die Stefan Speier, Reinhard Unger und Florian Zielinski aus dem Münchner Büro SU und Z für einen Bauherren geplant haben, der auch beruflich mit Immobilien zu tun hat, ist die Baukultur im oberbayerischen Landkreis Miesbach um ein großes, großartiges Haus gewachsen.
Das Haus liegt am südlichen Ufer des Tegernsees, respektvoll vom Wasser abgerückt in zweiter Reihe hinter den Bootshäusern, die Berge im Blick. Man muss genau hinschauen, um das Entstehungsjahr 2015 datieren zu können: Als Scherenschnitt ginge der einfache Baukörper mit vorgelagertem Balkon, hölzernen Fensterläden und weitem Dachüberstand glatt als traditioneller bayerischer Einfirsthof durch.
Der Reiz liegt im Zusammenspiel von Tradition und Heute, alt und neu, bis hin zum Material. Sorgfalt und Kunstfertigkeit des Handwerks zeichnen das Gebäude aus.
Fassade aus Altholz
Bei Licht besehen wird jedoch klar, dass SU und Z Architekten den alpenländischen Heimatstil nicht einfach nur adaptierten, sondern interpretierten und Tradition und Moderne charmant miteinander verbanden. So besteht die Fassade des langgestreckten Baukörpers aus Altholz.
Die unterschiedlich farbigen und breiten Hölzer von Scheunen, Stadeln oder Bauernhöfen wurden auf eine einheitliche Dicke gehobelt, getrocknet, leicht gebürstet und vertikal um das Volumen gehüllt. Im Erdgeschoss gestatten geschosshohe Glasflächen großartige Ausblicke. Vor unerwünschten Einblicken schützen Fensterläden aus schmalen, gebürsteten, vertikal geschichteten Lärchenlatten, die sich elegant als helle, zweite Schicht vor das patinierte Altholz schieben. Dass der wiederverwendete Werkstoff teurer ist als das junge Holz, erkennt der Kenner …
Wohnen auf drei Ebenen
Drei Ebenen entsprechen den Bedürfnissen der Bewohner. Ein steinernes Fundament, im Erdreich verborgen und sichtgeschützt, beherbergt Sauna, Dampfbad, Massageraum und Weinkeller. Ein Kneippbecken begleitet den Patio, der aus dem Kellergeschoss eine lichte Wellnessoase macht.
Im Erdgeschoss trennt die fast mittig angeordnete Eingangshalle auf der Ostseite den Gästebereich vom weiß verputzten und mit hellem Naturstein ausgelegten Koch-, Ess- und Wohnzimmer, das sich um ein schlankes hölzernes Kamin- und Schrankmöbel legt. Warme Holzoberflächen bestimmen die Räume im Obergeschoss. Und zumindest olfaktorisch erinnern sie an die holzgeschalten oberen Etagen ihrer historischen Vorbilder.
Gebäudedaten
- Standort: Rottach-Egern
- Grundstücksgröße: 2.287 m²
- Wohnfläche: 409 m²
- Zusätzliche Nutzfläche: 337 m²
- Anzahl der Bewohner: 6-8
- Bauweise: massiv
- Fertigstellung: 2015
- Energiestandard: KfW 70, EnEV 2009
- Baukosten: 2.450.000 Euro
Fotos: Koy + Winkel Fotografie, Berlin, www.kundw.org & SU und Z Architekten
Dieses Haus ist erschienen in: „Häuser des Jahres 2017“, Callwey Verlag