von SoHo Architektur
Drei Materialien wurden verwendet: Beton, Holz und Stahl. Der Architekt Alexander Nägele sieht das Haus daher als „Antithese zur derzeitigen Entwicklung beim Bauen, das unter anderem in der Verwendung vielfältiger Materialien und Bauprodukte ausufert“.
Über Geschmack lässt sich streiten, heißt es. Für Architektur jedoch gilt das nicht, basiert sie doch auf Proportionslehre und Ästhetik, also auf Gesetzmäßigkeiten, die mit persönlichen Vorlieben nichts gemein haben.
Baurecht: Keine groben Putze erlaubt
Das allerdings ist ein bestreitbarer Gedanke, und erst recht bedeutet er nicht, dass über Architektur nicht gestritten wird. „Wie viel Freiheit soll ein Bauherr haben?“ hieß es am 15. August 2015 in der Memminger Zeitung. Anlass für den Text: das Haus des Memminger Architekten Alexander Nägele und seines Büros SoHo Architektur.
Anlass für den Streit: die Fassade des Einfamilienhauses in einem vorstädtischen Wohngebiet mit strikten baurechtlichen Vorgaben – darunter die, keine groben Putze für die Fassaden zu verwenden. Zwar präzisiert die städtische Bauverwaltung nicht, wo fein aufhört und grob beginnt. Sicher war sie sich jedoch – ebenso wie einer der Nachbarn, der mit seiner Klage gegen den Entwurf bis vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zog –, dass der vom Architekten und Bauherrn gewünschte gehämmerte Beton unpassend ist.
Geschlämmte Fassade als Kompromiss
Das Verfahren gewannen Architekt und Bauherr. Um des lieben Nachbarschaftsfriedens willen einigte man sich jedoch auf einen Kompromiss: Die Außenfassaden wurden betoniert und anschließend geschlämmt. Dass die Schlämme fast durchsichtig ist, passt zwar der Bauverwaltung nicht. Architekt und Bauherr allerdings sind im Prinzip zufrieden: Kennt man die Geschichte, so Alexander Nägele, dann ist das Ergebnis ganz charmant. In seiner Projektdokumentation jedenfalls heißt das Haus uf: unfinished.
Das Haus ist von innen gedacht. Der präzise Umgang mit Material, Raum und Öffnungen sowie die Reduktion aufs Wesentliche schaffen einen stimmigen Wohnort.
Innenraum aus Beton und Eichenholz
Es besteht aus einem Garagenhaus an der im Süden des Grundstücks gelegenen Straße und einem nach Norden zurückgesetzten Wohnhaus. Wer es betritt, passiert ein Gartentor, das von der Garage und einer dichten Heckenwand gefasst ist. Von hier aus schaut man unter dem auskragenden Obergeschoss in Küche und Esszimmer und passiert ein schmales, langes Betonwasserbecken.
Gestoppt wird die Promenade von der Außenwand der Bibliothek, die innenräumlich in den Wohnraum übergeht. Die Garderobe mit rückwärtiger Küchenzeile und die einläufige Treppe, die eingekastelt ist von WC und Abstellraum, gliedern den kompakten Erdgeschossgrundriss, der im auskragenden Obergeschoss zu einem verzogenen Quadrat wird. Großzügig öffnet sich der Wohnbereich über beide Etagen, die eindrucksvolle Raumplastik aus Beton und Eichenholz ist hier alles andere als unfertig.
Gebäudedaten
- Standort: Memmingen
- Anzahl der Bewohner: 4
- Wohnfläche: 230 m2
- Grundstücksgröße: 690 m2
- Zusätzliche Nutzfläche: 10 m2 Keller + Garage 50 m2
- Bauweise: massiv / Stahlbeton
- Energiestandard: KfW 70
- Baukosten: 915.000 Euro
- Fertigstellung: 2016
Fotos: Florian Holzherr art & architectural documentations, Gauting www.florian-holzherr.de
Dieses Haus ist erschienen in: „Häuser des Jahres 2017“, Callwey Verlag