Haus am Deich

von Thomas Kröger Architekten

Die Form traditionell, die Ausformulierung zeitgemäß: Das Haus am Deich von Thomas Kröger Architekten wurde mit dem ersten Preis unseres Wettbewerbs „Häuser des Jahres 2018“ ausgezeichnet.

„Eben und flach ist das Land und doch von einer ungeahnten Vielfalt. Gerade das abwechslungsreiche Landschaftspanorama mit der Geest im Westen, dem Moor im Süden, der Flussmarsch im Norden und vielen Sehenswürdigkeiten macht Ostrhauderfehn so reizvoll und einladend,“ so steht es auf der Website der Gemeinde.

Hier besitzt eine junge Familie ein großzügiges Grundstück unmittelbar am Rande des Naturschutzgebiets. Ein Zeitungsartikel machte sie auf den Berliner Architekten Thomas Kröger aufmerksam und neugierig: Seine realisierten Projekte überzeugten die Bauherren.

Doch nach der Entwurfspräsentation gab es eine kurze Krise: „Der durchaus unkonventionelle Raumplan des Hauses mit seinen in Szene gesetzten Konstruktionselementen wollte erst von der überraschten Bauherrschaft verdaut werden, bevor sie überzeugt und begeistert zur Umsetzung schritt. „Doch dann“, so beschreibt Thomas Kröger weiter, „war die Zusammenarbeit eine große Freude.“

Eigenleistung und Abstimmung

„Nicht nur, dass sehr viel in Eigenleistung erbracht wurde. Die Bauherren haben auch aktiv die Abstimmungen zwischen den Gewerken und Planern betreut und waren konstruktiv in das Baugeschehen involviert“, wie der Architekt erzählt. Die Freunde der Bauherren waren allerdings sehr verhalten, was die Umsetzung des Projektes anbelangte: „Niemand war bereit, sich vorzustellen, dass hier räumliche Qualitäten entstehen können. Es ist den Bauherren hoch anzurechnen, dass sie trotz aller Kritik aus dem Umfeld den Mut und das Vertrauen hatten, mit uns zu gehen.“

Regionale Bauweise in Tradition der Gulfhäuser

Das Gebäude besteht aus einem Wohnhaus, einem Eingangshof sowie einer Garage. Seine Gestalt ist an die regionale Bauweise der sogenannten Gulfhäuser angelehnt, eine friesische Bauernhausform, die im 17. Jahrhundert aufkam. Die traditionell eher kleinen Wohnstallhäuser entstanden als Holzgerüstbauten in Ständerbauweise. Der Gulf, die Einheit zwischen vier Holzpfeilern, bildete das Zentrum des Scheunentraktes und bot Fläche für das Erntegut. Für das zeitgenössische Gulfhaus in Ostrhauderfehn übernahm Thomas Kröger das tief hinuntergezogene Dach.

Das ehemals hölzerne Konstruktionsprinzip übersetzte er jedoch in Stahlbeton. Rau geschalt und bewusst überdimensioniert wirkt es nicht nur raumbildend, sondern vor allem skulptural. Bis in den First fällt der Blick im Wohnraum. Zwei Schlafzimmer liegen im ersten Obergeschoss. Schmale, aneinandergereihte Fenster direkt unter dem First fokussieren die Aussicht nach Norden. Nach Ost und West gehen die liegenden Giebelöffnungen im Dachgeschoss, hier befindet sich das Eltern-Schlafzimmer.

Die typologische Transformation eines regionalen Gulfhauses mit seinen stattlichen, konstruktiven Elementen und funktionalen Gliederungen in ein kleines Wohnhaus.

Wittmunder Klinker

Die Giebelfassaden mit ihren großen, runden Toren wurden in Fischgrätverband vermauert. Die aus der benachbarten Wittmunder Ziegelei stammenden, im Tunnelofen gebrannten Wittmunder Klinker entsprechen farblich den Dachpfannen, so dass der charaktervolle Hof nach außen wie ein roter Monolith wirkt.

Der Architekt: Thomas Kröger

Thomas Kröger gründete sein Büro 2001 in Berlin im Anschluss an die Mitarbeit bei Norman Foster und Max Dudler. Seither arbeitet er mit Bauherren im In- und Ausland und lehrt. Er ist bereits zum zweiten Mal Preisträger im Wettbewerb „Häuser des Jahres“.

Gebäudedaten

  • Standort: Ostfriesland
  • Grundstücksgröße: 9.915 m²
  • Wohnfläche: 180 m²
  • Zusätzliche Nutzfläche: 50 m² Carport + 100 m² Hof
  • Anzahl der Bewohner: 4
  • Bauweise: Massivbauweise
  • Fertigstellung: 2017

Fotos: Jan Steenblock

Dieses Haus ist erschienen in: „Häuser des Jahres 2018“, Callwey Verlag